Wann machen sich Arbeitgeber bei der Zahlung vom Betriebsratsvergütung wegen Untreue gem. § 266 Abs. 1 StGB strafbar.
Seit dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 10. Januar 2023 zur Untreuestrafbarkeit von VW-Managern, die hohe Zahlungen an Betriebsratsmitglieder genehmigten (dazu sogleich ausführlicher), herrscht in vielen Unternehmen große Rechtsunsicherheit bezüglich der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern. Für Klarheit sorgen soll nun ein von der Bundesregierung eingebrachter Gesetzesentwurf (Zweites Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes), in dem die bestehenden Regelungen im Betriebsverfassungsgesetz zur Vergütung von Betriebsratsmitgliedern erweitert werden. Der Gesetzesentwurf stammt von einer von der Bundesregierung eingesetzten Expertenkommission.
Nachfolgend wird sich mit der Frage befasst, ob die gesetzlichen Neuerungen tatsächlich Klarheit in die Materie bringen – insbesondere vor dem Hintergrund des Strafbarkeitsrisikos aus § 266 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB).
Ausgangspunkt: Verunsicherung nach BGH-Urteil
Am 10. Januar 2023 hatte der 6. Strafsenat des (BGH, Urteil vom 10.01.2023 – 6 StR 133/22) über die Strafbarkeit von zwei früheren Vorständen und zwei früheren Personalleitern der Volkswagen AG zu befinden. Sie waren wegen Untreue gem. § 266 Abs. 1 StGB angeklagt, weil sie Arbeitsentgelte (Monatsentgelt und freiwillige Bonuszahlungen) an freigestellte Betriebsräte gewährten, die die Zahlungen an die betriebsverfassungsrechtlich zutreffenden Vergleichsgruppen erheblich überstiegen. VW hatte die Betriebsräte in deutlich höhere, dem „Management-Kreis“ vorbehaltene Entgeltgruppen umgestuft und damit freiwillige Bonuszahlungen von jährlich 80.000 € bis 560.000 € je Betriebsrat gezahlt.
Das zuständige Landgericht (LG) Braunschweig hatte die Manager vom Vorwurf der Untreue freigesprochen und darauf verwiesen, dass zwar der objektive Tatbestand der Untreue erfüllt sei, die Manager aber nicht vorsätzlich gehandelt hätten. Der BGH hob das Urteil des LGs auf und wies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurück an eine andere Wirtschaftskammer des LGs. Diese solle die Beweiswürdigung zum Vorsatz der Angeklagten neu durchführen.
Nach dem Urteil des 6. Strafsenats haben einige Arbeitgeber damit begonnen, die Entgelte ihrer Betriebsratsmitglieder zu kürzen, weil sie anderenfalls eine Strafbarkeit wegen Untreue befürchteten. Daraufhin setzte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Mai 2023 eine Expertenkommission ein, die Vorschläge für eine Gesetzesänderung unterbreiten sollte. Der Vorschlag der Expertenkommission wurde von der Bundesregierung schließlich im Gesetzesentwurf übernommen.
Der Gesetzesentwurf
- § 37 Abs. 4 BetrVG
Zentrale Vorschrift für die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern ist § 37 Abs. 4 BetrVG. § 37 Abs. 4 S. 1 BetrVG besagt, dass das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats nicht geringer bemessen werden darf als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Die Vorschrift soll nun um die Sätze 3-5 wie folgt ergänzt werden:
“Zur Bestimmung der vergleichbaren Arbeitnehmer nach Satz 1 ist auf den Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamts abzustellen, soweit nicht ein sachlicher Grund für eine spätere Neubestimmung vorliegt. Arbeitgeber und Betriebsrat können in einer Betriebsvereinbarung ein Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer regeln. Die Konkretisierung der Vergleichbarkeit in einer solchen Betriebsvereinbarung kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden; Gleiches gilt für die Festlegung der Vergleichspersonen, soweit sie einvernehmlich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erfolgt und in Textform dokumentiert ist.”
Mit dieser Ergänzung wird insbesondere die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) gesetzlich verankert. So war auch bereits nach bisheriger Auffassung des BAG für die Vergleichbarkeit auf den Zeitpunkt der Amtsübernahme des Betriebsratsmitglieds abzustellen, nicht auf den Zeitpunkt der Freistellung. Die Vergleichsgruppe konnte sich aber nachträglich ändern, insbesondere im Falle einer Beförderung oder bei Vereinbarung einer hierarchisch niedriger angesiedelten Tätigkeit (BAG, Urteil vom 23. November 2022 – 7 AZR 122/22).
Auch die in Sätzen 4 und 5 vorgesehene Möglichkeit, Grundsätze zur Bestimmung der Vergleichbarkeit zu vereinbaren, war nach bisheriger Rechtsprechung bereits möglich, soweit sie sich im Rahmen gesetzlicher Vorgaben hielt (BAG, Urteil vom 18. Januar 2017 – 7 AZR 205/15). Mit der Kodifizierung soll nun ein Anreiz geschaffen werden, die Vergleichbarkeit bereits im Voraus transparent zu regeln. Eine gerichtliche Überprüfung der vereinbarten Grundsätze soll dann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit erfolgen können.
- § 78 BetrVG
Die zweite wesentliche Vorschrift ist § 78 S. 2 BetrVG. Danach ist es dem Arbeitgeber verboten, ein Betriebsratsmitglied wegen seiner Amtstätigkeit in seiner beruflichen Entwicklung zu begünstigen oder zu benachteiligen. § 78 BetrVG soll nun um einen Satz 3 ergänzt werden:
“Eine Begünstigung oder Benachteiligung liegt im Hinblick auf das gezahlte Arbeitsentgelt nicht vor, wenn das Mitglied einer in Satz 1 genannten Vertretung in seiner Person die für die Gewährung des Arbeitsentgelts erforderlichen betrieblichen Anforderungen und Kriterien erfüllt und die Festlegung nicht ermessensfehlerhaft erfolgt. “
Auch hier wird die Rechtsprechung des BAG aufgegriffen: Nach Auffassung des BAG ist auch die hypothetische Karriereentwicklung eines Betriebsratsmitglieds zu berücksichtigen. Danach kann dem Betriebsratsmitglied eine höhere Vergütung als vergleichbaren Arbeitnehmern zustehen, wenn davon auszugehen ist, dass das Betriebsratsmitglied aufgrund seiner Kenntnisse, Fähigkeiten oder Persönlichkeit einen besonders schnellen beruflichen Erfolg erzielt hätte und die Übernahme des Betriebsratsamts kausal für diese unterbliebene Karriereentwicklung ist.
Fazit: Rettung vor dem Strafbarkeitsrisiko des § 266 Abs. 1 StGB?
Durch die Neuregelungen des § 37 Abs. 4 S. 3-5 BetrVG könnten Kriterien zur Bestimmung von Vergleichspersonen von den Betriebsparteien nun ausdrücklich festgelegt werden, die gerichtlich nur noch auf „grobe Fehlerhaftigkeit“ überprüfbar wären. Zwar mag dies die Autonomie der Betriebsparteien stärken, das Risiko einer Untreuestrafbarkeit bliebe jedoch weiterhin bestehen, da die Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht nicht allein durch den Abschluss einer Betriebsvereinbarung ausgeschlossen werden kann. Wie groß der Handlungsspielraum durch den Abschluss einer Betriebsvereinbarung tatsächlich wäre, würde sich wohl erst die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte in den nächsten Jahren zeigen.
Die Neuregelung des § 78 S. 3 BetrVG würde bewirken, dass hypothetische Karriereentwicklungen bei Anwendung des Benachteiligungs- und Begünstigungsverbots aus § 78 S. 2 BetrVG nun auch nach dem Willen des Gesetzgebers zu berücksichtigen wären. Die konkrete Formulierung in § 78 S. 3 BetrVG führt jedoch nur bedingt zu steigender Rechtssicherheit aus Arbeitgebersicht. Zwar könnte es einfacher werden, einem Betriebsratsmitglied eine höhere Position auf Grundlage während der Betriebsratstätigkeit erworbener Fähigkeiten und Kenntnisse zuzuteilen. Für die reine Besserstellung in vergütungsrechtlicher Hinsicht bleibt die Regelung jedoch wenig aufschlussreich, da weiterhin unklar ist, inwiefern die erlangten Qualifikationen berücksichtigungsfähig sind.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Gesetzesentwurf hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt und nur bedingt zu Rechtssicherheit bezüglich einer möglichen Untreuestrafbarkeit führt.