Schutz von geheimhaltungsbedürftigen Geschäftsgeheimnissen im Prozess

LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.09.2023 – 7 Ta 1/22

Das Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) dient dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Liegt ein Geschäftsgeheimnis nach § 2 Nr. 1 GeschGehG vor, kann der Inhaber des Geschäftsgeheimnisses Ansprüche nach den §§ 6 – 14 GeschGehG gerichtlich geltend machen. Doch wie können vertrauliche Informationen, die zur Klärung der Ansprüche im gerichtlichen Prozess offengelegt werden müssen, vor einer Verwendung außerhalb des Prozesses geschützt werden?

Nach § 16 Abs. 1 GeschGehG können streitgegenständliche Informationen auf Antrag einer Partei als geheimhaltungsbedürftig eingestuft werden. Hierzu muss die antragsstellende Partei nach § 20 Abs. 3 GeschGehG glaubhaft machen, dass es sich bei der streitgegenständlichen Information um ein Geschäftsgeheimnis handelt. Liegen diese Voraussetzungen vor, sind die geheimhaltungsbedürftigen Informationen gem. § 16 Abs. 2 GeschGehG als vertraulich zu behandeln und dürfen außerhalb des gerichtlichen Verfahrens grundsätzlich nicht offengelegt werden.

Das LAG Baden-Württemberg hatte sich nun mit der Frage zu beschäftigen, welche Anforderungen an § 16 Abs. 1 sowie an § 20 Abs. 3 GeschGehG im Einzelnen zu stellen sind.

Sachverhalt

Streitgegenständlich waren im vorliegenden Prozess u.a. Informationen der Klägerin über interne Techniker- und Vertriebssitzungen sowie Umsatzzahlen und Umsatzentwicklungen. Um eine Verbreitung dieser Informationen zu verhindern, beantragte die Klägerin, die Informationen als geheimhaltungsbedürftig i.S.d. § 16 Abs. 1 GeschGehG einzustufen.

Das zuständige Arbeitsgericht lehnte die Einstufung als geheimhaltungsbedürftig ab.

Entscheidung

Das LAG hob den Beschluss des Arbeitsgerichts auf und bejahte die Geheimhaltungsbedürftigkeit der Informationen.

Gem. § 16 Abs. 1 GeschGehG müsse nur die Möglichkeit bestehen, dass ein Geschäftsgeheimnis i.S.d. § 2 Nr. 1 GeschGehG vorliege. Dies sei hier der Fall, da die einzelnen Voraussetzungen nach § 2 Nr. 1 GeschGehG gegeben seien: Die Informationen seien nicht allgemein bekannt und daher von wirtschaftlichem Wert, es seien angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen ergriffen worden und es bestehe darüber hinaus ein berechtigtes Interesse der Klägerin an der Geheimhaltung der Informationen. Zwar „kann“ das Gericht nach dem Wortlaut des § 16 Abs. 1 GeschGehG die Information als geheimhaltungsbedürftig einstufen, was einen gewissen Ermessensspielraum des Gerichts nahelege. Nach Auffassung des LAG müsse das Gericht die Information aber in aller Regel als geheimhaltungsbedürftig einstufen, wenn die Möglichkeit eines Geschäftsgeheimnisses bestehe. Dies sei hier der Fall.

Nach dem Wortlaut des § 20 Abs. 3 GeschGehG muss die klagende Partei schließlich glaubhaft machen, dass ein Geschäftsgeheimnis vorliegt. Insofern stellt § 20 Abs. 3 GeschGehG strengere Anforderungen als § 16 Abs. 1 GeschGehG, wonach bereits die reine Möglichkeit eines Geschäftsgeheimnisses genügt. Nach Auffassung des LAG ist § 20 Abs. 3 GeschGehG aber nach europarechtskonformer Auslegung so zu verstehen, dass bereits die Möglichkeit der Einordnung als Geschäftsgeheimnis – wie auch nach § 16 Abs. 1 GeschGehG – ausreicht. Weitergehende Anforderungen an die Glaubhaftmachung seien nicht zu stellen.

Praxisfolgen und Fazit

Das LAG beschäftigt sich vorliegend mit der praxisrelevanten Frage, wie mit Geschäftsgeheimnissen im Prozess umzugehen ist. Im Ergebnis sind nach Auffassung des LAG keine allzu hohen Anforderungen daran zu stellen, dass streitgegenständliche Informationen als geheimhaltungsbedürftig nach § 16 Abs. 1 GeschGehG einzustufen sind, die in der Folge den Schutz des § 16 Abs. 2 GeschGehG genießen und vertraulich zu behandeln sind.

Dies ist eine erfreuliche Nachricht für all diejenigen, die das Geschäftsgeheimnisgesetz im Kern schützen will: die Inhaber von Geschäftsgeheimnissen. Gleichwohl sind angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen die Voraussetzung. Welch hohe Anforderungen daran gestellt werden, haben Dr. Kerstin und Dr. Madelaine Isabelle Baade in der Zeitschrift DStR 2022, 890 ff. näher beleuchtet.

Autor:innen

Madelaine-Isabelle RBL-Reiserer-Baade-Lachmann-Arbeitsrecht
Dr. Madelaine Isabelle Baade