Betriebsratsvergütung bei Freistellung: Ein Pulverfass!

Es passiert nicht so oft, dass die Unternehmerwelt im Bereich des Arbeitsrechts durch ein strafrechtliches Urteil so stark beeinflusst wird, wie es Anfang 2023 infolge der Entscheidung des 6. Strafsenats des Bundesgerichtshofs der Fall gewesen ist (Urteil vom 10.1.2023 – 6 StR 133/22; zum Volltext geht´s hier entlang).

In dieser Entscheidung hat der BGH herausgearbeitet, dass Arbeitgeber ein erhebliches Strafbarkeitsrisiko im Hinblick auf den Vorwurf der Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB haben können, wenn sie den freigestellten Betriebsratsmitgliedern eine zu hohe Vergütung zukommen lassen. Der BGH begründete dies damit, dass er die Vermögensbetreuungspflicht als verletzt ansieht, wenn einem freigestellten Betriebsratsmitglied ein Arbeitsentgelt bewilligt wird, das gegen das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot nach § 78 S. 2 BetrVG verstößt.

Das Urteil des BGH hat in der Praxis zu massiver Unsicherheit bei der Bemessung der Betriebsratsvergütung geführt. Viele Unternehmen haben die Vergütung ihrer Betriebsratsmitglieder geprüft und schlussendlich gekürzt, was bei den Betroffenen erwartungsgemäß auf wenig Gegenliebe gestoßen ist. Aufbauend hierauf gibt es zwischenzeitlich mehr und mehr arbeitsgerichtliche Verfahren, in denen freigestellte Betriebsratsmitglieder die höhere Vergütung klageweise geltend machen.

Jetzt gibt es eine jüngst veröffentlichte Entscheidung des LAG Hessen (Urteil vom 13.06.2023 – 12 Sa 1293/22; zum Volltext geht´s hier entlang). Hier ging es um die Problematik, dass einem freigestellten Betriebsratsmitglied bisher gewährte Zuschläge wegen Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit sowie auf eine Rufbereitschaftspauschale verweigert wurden, was seine Begründung wiederum darin fand, dass das freigestellte Betriebsratsmitglied die Betriebsratstätigkeiten gerade nicht nachts, sonntags oder feiertags ausübte, sondern ausschließlich zu üblichen Bürozeiten von Montag bis Freitag. Nach Auffassung des LAG reichte dies, ûm dem Betriebsratsmitglied die Zulagen zu streichen. Das Argument des klagenden Betriebsratsmitglieds, dass er dann gegenüber seinen früheren Kollegen schlechter gestellt wäre, akzeptiert das LAG hingegen nicht. Vielmehr argumentierte es genau umgekehrt: Wenn das freigestellte Betriebsratsmitglied tagsüber seine Tätigkeit erbringt und trotzdem Zulagen erhalten würde, wäre er letztlich gegenüber seinen früheren Kollegen, die nachts, sonn- und feiertags arbeiten und wegen dieser besonderen Erschwernis und Belastungen Zulagen erhalten sollen, bessergestellt.

Ob sich die vorstehend aufgezeigte Argumentation des LAG Hessen durchsetzt, wird erst das Bundesarbeitsgericht entscheiden, bei welchem die eingelegte Revision bereits unter dem Az. 10 AZR 197/23 geführt wird – wir werden berichten!

Expertinnen

Dr. Kerstin Reiserer - RBL - Reiserer Baade Lachmann Arbeitsrecht
Dr. Kerstin Reiserer
Madelaine-Isabelle RBL-Reiserer-Baade-Lachmann-Arbeitsrecht
Dr. Madelaine Isabelle Baade