Verjährung von Urlaubsabgeltungsansprüchen

BAG, Urteil vom 31.01.2023 – 9 AZR 456/20

Nachdem das Bundesarbeitsgericht (BAG) kurz vor Weihnachten einigen Arbeitnehmern mit seiner Rechtsprechung zum Urlaubsrecht ein kleines Geschenk gemacht hat (BAG, Urteil vom 20.12.2022 – 9 AZR 245/19; hierzu unser Beitrag „Unendlicher Urlaub?“), gaben die Erfurter Richter nunmehr im neuen Jahr auch Arbeitgebern im Kontext Urlaub einen Grund aufzuatmen. In concreto entschied das Gericht, dass Arbeitnehmer die Auszahlung offener Urlaubsansprüche von ihrem früheren Arbeitgeber nur innerhalb einer Frist von drei Jahren verlangen können, denn so lange laufe die Verjährungsfrist. Mit den Einzelheiten der Entscheidung möchten wir uns im Folgenden beschäftigen.

Sachverhalt

In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt verlangte der Kläger die Abgeltung von Urlaubsansprüchen aus den Jahren 2010 bis 2015. Der Kläger war seit Sommer 2010 bei der Beklagten beschäftigt. Im Oktober 2015 verständigten sich die Parteien des Rechtsstreits darauf, dass der Kläger fortan als selbstständiger Dienstleister für die Beklagte tätig werden sollte. Die Beklagten erhoben auf die Klageerhebung im Jahr 2019 hin die Einrede der Verjährung. Die Vorinstanzen gaben der Beklagten recht und wiesen die Klage vollumfänglich ab.

Entscheidung des BAG

Die Revision des Klägers beim Bundesarbeitsgericht hatte nur in Bezug auf die Abgeltung der Urlaubsansprüche für die Jahre 2010 bis 2014 Erfolg. Im Hinblick auf den Urlaubsabgeltungsanspruch für das Jahr 2015 blieb das Rechtsmittel demgegenüber erfolglos.

Die Erfurter Bundesrichter stellten zunächst klar, dass der auf die Zahlung von Geld gerichtete Anspruch auf Urlaubsabgeltung anders als – wie jüngst höchstrichterlich entschieden – der Urlaubsanspruch an sich verjährt, ohne dass der Arbeitgeber eine Mitwirkungsobliegenheit erfüllen müsste (hierzu unser Beitrag „Unendlicher Urlaub?“). Der Arbeitgeber muss daher nicht auf die Möglichkeit der finanziellen Abgeltung etwaiger Urlaubsansprüche hinweisen, um den Lauf der Verjährungsfrist in Gang zu setzen. Vielmehr beginnt die dreijährige Verjährungsfrist ohne weiteres arbeitgeberseitiges Zutun in der Regel am Ende des Jahres, in dem das Arbeitsverhältnis endet.

Für die Ansprüche aus den Jahren vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, hier also die Jahre 2010 bis 2014, gelte aber – so das BAG – eine Ausnahme, die aufgrund einer verfassungs- und unionsrechtskonformen Anwendung der Verjährungsregelungen geboten sei. Die Verjährungsfrist beginne danach nicht, solange eine Klageerhebung aufgrund einer gegenteiligen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zumutbar sei. Angesichts der damaligen Rechtsprechung des BAG, dass auch Urlaubsansprüche ohne Erfüllung einer arbeitgeberseitigen Mitwirkungsobliegenheit nach drei Jahren verfallen, musste der Kläger erwarten, dass er die entsprechenden Abgeltungsansprüche nicht durchsetzen können würde. Eine Klageerhebung konnte von ihm daher zunächst nicht erwartet werden. Zumutbar und erfolgsversprechend war eine klageweise Geltendmachung erst seit der Rechtsprechungsänderung des EuGH im November 2018, sodass auch die Verjährungsfrist erst ab diesem Zeitpunkt in Gang gesetzt wurde, bei der Klageerhebung 2019 noch nicht abgelaufen war und der Kläger damit die Abgeltungsansprüche für die Jahre 2010 bis 2014 durchsetzen konnte.

Demgegenüber begann auch schon nach der früheren Rechtsprechung des BAG die Regelverjährung für Urlaubsabgeltungsansprüche des Jahres, in dem ein Arbeitsverhältnis beendet wird, am Ende eben dieses Jahres. Die Klageerhebung in Bezug auf den Abgeltungsanspruch für das Jahr 2015, in dem das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten endete, wäre daher vor Eintritt der Verjährung Ende 2018 für den Kläger zumutbar gewesen. Dem Anspruch stand damit die Einrede der Verjährung entgegen.

Fazit und Bedeutung für die Praxis

Zwar brachte das BAG mit seiner Entscheidung die Hoffnung vieler Arbeitnehmer auf bezahlten alten Urlaub zu Fall. Zu begrüßen ist aber, dass die Bundesrichter in Zusammenschau mit den Entscheidungen aus dem vergangenen Jahr und angesichts der EuGH-Rechtsprechung aus dem Jahr 2018 weiter für Klarheit im deutschen Urlaubsrecht sorgen. Gelungen ist dabei insbesondere die Differenzierung zwischen dem Anspruch auf Urlaub einerseits und dem Urlaubsabgeltungsanspruch andererseits. Während die Verjährung des Urlaubsanspruchs angesichts des übergeordneten Erholungszwecks erst nach der Erfüllung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheit durch den Arbeitgeber beginnt, läuft die dreijährige Frist bei dem „bloß auf Geld gerichteten“ Abgeltungsanspruch ohne weiteres Zutun. Insofern wird auch der Geltendmachung absurder Urlaubsabgeltungsansprüche, die sich auf Jahre oder gar Jahrzehnte zurückliegende Zeiträume beziehen, ein Riegel vorgeschoben. Arbeitgeber werden dadurch nicht nur im Hinblick auf den Umfang ihrer Mitwirkungsobliegenheit, sondern nicht zuletzt auch wirtschaftlich entlastet.

Autor

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Maximilian Lachmann