Raus aus dem Haus – Zur Teilkündbarkeit von Homeoffice-Vereinbarungen

LAG Hamm, Urteil vom 16.03.2023 – 18 Sa 832/22

Die Pandemie ist überstanden, aber das Arbeiten aus den eigenen vier Wänden, das für viele insbesondere während der Lockdowns Alltag war und sich in vielen Fällen bewährt hat, erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit. Doch selbstverständlich ist die Möglichkeit der Arbeit aus dem Homeoffice nicht, wie auch ein aktuelles Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Hamm verdeutlicht, in dem sich die Richter mit der Kündigungsmöglichkeit einer Home Office-Vereinbarung auseinandergesetzt haben.

Sachverhalt

Der Kläger schloss mit der beklagten Arbeitgeberin mit Datum vom 28.11.2016 einen Arbeitsvertrag, der bereits eine Regelung zum Homeoffice enthielt. Einen Tag später schlossen die Parteien darüber hinaus eine Zusatzvereinbarung, die eine Ausübung der Tätigkeit im Homeoffice nochmals ausdrücklich gestattete. Gleichzeitig wurde der Kläger aber verpflichtet, erforderlichenfalls zeitweise vor Ort im Unternehmen tätig zu werden. Ferner sah die Zusatzvereinbarung die folgende Regelung vor:

„§ 7 Beendigung der häuslichen Arbeit

Diese Vereinbarung endet spätestens mit dem Ende des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses aufgrund des Arbeitsvertrags vom 28.11.2016, sofern sie nicht vorher durch eine der Parteien gekündigt wird.“

Nachdem der Kläger für einen längeren Zeitraum krankheitsbedingt abwesend war, kündigte die Beklagte die Zusatzvereinbarung fristgemäß und verwies den Kläger auf eine Tätigkeit im Innendienst.

Der Kläger war der Ansicht, dass diese Teilkündigung unwirksam sei. Er begründete dies im Wesentlichen damit, dass die Kündigungsklausel der Zusatzvereinbarung gegen das Transparenzgebot verstoße und darüber hinaus kündigungsschutzrechtliche Vorschriften umgangen würden. Mit dieser Argumentation wandte er sich an das zuständige Arbeitsgericht, das dem Kläger Recht gab.

Entscheidung des LAG

Das LAG Hamm teilte die Auffassung des Klägers demgegenüber nicht. Im Gegensatz zur Vorinstanz hielt das Gericht die Kündigung der Zusatzvereinbarung für wirksam und wies die Klage ab.

Zwar seien Kündigungen, die nur einzelne Bestandteile des Arbeitsvertrags betreffen (sog. Teilkündigungen), grundsätzlich unwirksam, da eine einseitige Änderung von Vertragsbedingungen regelmäßig nicht erfolgen könne. Ausnahmsweise sei eine Teilkündigung aber zulässig, wenn – wie hier – der kündigenden Partei das Recht hierzu vertraglich eingeräumt worden sei.

Der Kündigung stehe nach Auffassung mit der Sache befassten Richter auch nicht entgegen, dass kein Kündigungsgrund im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes vorgelegen habe. Kündigungsschutzrechtliche Regelungen seien in diesem Fall nicht anwendbar. Die Homeoffice-Zusatzvereinbarung betreffe nicht unmittelbar die gegenseitigen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis. Vielmehr regele die Abrede lediglich die Frage, ob und unter welchen Bedingungen der Arbeitnehmer seine geschuldete Arbeitsleistung von Zuhause aus erbringen dürfe, und damit die typischerweise vom Direktionsrecht des Arbeitgebers umfasste Ausgestaltung der Arbeitsmodalitäten. Diese sei allerdings nicht kündigungsrechtlich besonders geschützt.

Auch werde der Kläger – so das LAG Hamm – durch die Kündigungsklausel nicht unangemessen benachteiligt, sofern diese als Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne der §§ 305 ff. BGB anzusehen wäre. Insbesondere sei nicht davon auszugehen, dass die Zulässigkeit der Teilkündigung mit wesentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung, von der durch die Klausel abgewichen wird, nicht vereinbar sei. Auch seien wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Arbeitsvertrags ergeben, nicht derart eingeschränkt, dass dadurch die Erreichung des Zwecks des Arbeitsvertrags gefährdet wäre.

Ferner verstoße es entgegen der Auffassung des Klägers nicht gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, dass die Teilkündigung nicht an das Vorliegen besonderer Voraussetzungen geknüpft sei. In diesem Zusammenhang sei zu beachten, dass es sich bei der Bestimmung des Arbeitsorts um eine Festsetzung der vom Arbeitnehmer geschuldeten Leistung handele, die keiner besonderen Rechtfertigung bedürfe.

Praxisfolgen und Fazit

Aus Arbeitgebersicht empfiehlt es sich zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt – insbesondere angesichts des Fachkräftemangels –, sowohl Bewerbern als auch bestehenden Arbeitnehmern die Möglichkeit zur Remote-Arbeit anzubieten. Zu beachten ist aber, dass das Arbeitsverhältnis als Dauerschuldverhältnis dem stetigen Wandel gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und rechtlicher Gegebenheiten ausgesetzt ist. Auch wenn das Arbeiten von Zuhause aus heute keine Einschränkung bedeutet, so heißt dies nicht, dass es in Zukunft nicht vielleicht doch sinnvoller sein könnte, den Arbeitnehmer vor Ort einzusetzen.

Um die Arbeitsmodalitäten flexibel zu gestalten, sollte sich der Arbeitgeber daher eine Möglichkeit schaffen, das Remote-Arbeiten zu beenden. In rechtlicher Hinsicht kann dies beispielsweise durch den Vorbehalt des Widerrufs oder – wie in dem hier besprochenen Fall – durch das Vorsehen eines Teilkündigungsrechts ausgestaltet werden.

Insofern ist zu begrüßen, dass das LAG Hamm in seiner Entscheidung die Möglichkeit einer Teilkündigung von Homeoffice-Abreden anerkennt und keine zusätzlichen Hürden für flexible Reaktionen in einer sich rasch entwickelnden Arbeitswelt aufstellt.

Autorin

Madelaine-Isabelle RBL-Reiserer-Baade-Lachmann-Arbeitsrecht
Dr. Madelaine Isabelle Baade