Datenschutz-Hopping im Bewerbungsverfahren

Das sogenannte Datenschutz-Hopping im Bewerbungsverfahren stellt eine neue Herausforderung für Unternehmen dar. Hierbei bewerben sich Menschen mit dem Ziel auf Stellen, nach erfolgloser Bewerbung Auskunftsansprüche zu stellen und bei Verzögerungen Schadensersatzforderungen geltend zu machen.

AGG-Hopping als Blaupause für das Datenschutz-Hopping

Das Phänomen des „Hoppings“ ist in der arbeitsrechtlichen Praxis leider keine neue Vorgehensweise: Nachdem im August 2006 das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) mit dem Ziel in Kraft getreten ist, den Schutz vor Diskriminierungen aufgrund von Rasse oder ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexueller Identität zu stärken, wurde nämlich relativ schnell versucht, (vermeintlich) systematische Schwachpunkte des Gesetzes ausfindig zu machen und zum eigenen finanziellen Vorteil zu nutzen.

Ganz konkret bewarben sich Personen ohne ernsthaftes Interesse an einer tatsächlichen Anstellung auf eine Vielzahl von Stellen, verbunden mit der Absicht, bei einer Ablehnung Diskriminierungsvorwürfe zu erheben und Schadenersatz oder eine Entschädigung zu fordern. Ausgemacht werden konnten AGG-Hopper oftmals an den folgenden Kriterien:

  • Massenbewerbungen und standardisierte Bewerbungsunterlagen

  • Bewerbung auf unrealistische Stellen

  • gezielte Suche nach Stellenausschreibungen mit Diskriminierungspotenzial

  • Überempfindlichkeit bei Standardabsagen

  • sofortige rechtliche Schritte nach Ablehnung und ohne vorherige Kommunikation

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Gesichtspunkte haben Unternehmen sodann schnell verschiedene Strategien entwickelt, um den vermeintlichen Bewerbern möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten. Stellenausschreibungen wurden auf ein Minimum reduziert, aufregende Ansprachen an die Adressaten vermieden, alle denkbaren Geschlechter aufgeführt und auch die Absagen wurden standardisiert.

Glücklicherweise bestand in der Arbeitsgerichtsbarkeit relativ schnell Einigkeit, dass AGG-Hopping rechtsmissbräuchlich ist und den Bewerbern die geltend gemachten Ansprüche nicht zustehen. Problematisch in der Praxis: Der Arbeitgeber muss darlegen und beweisen, dass eine Bewerbung nicht aus echtem Interesse an der Stelle, sondern aus der Absicht heraus erfolgte, einen Grund für eine Entschädigungsklage zu schaffen. Der Arbeitgeber muss hierfür wiederum Indizien vortragen, die darauf hindeuten, dass die Bewerbung rechtsmissbräuchlich und hauptsächlich im Kontext des AGG-Hopping erfolgte.

Das neue Phänomen des Datenschutz-Hopping

Eine jüngere Entscheidung deutet nun darauf hin, dass ein ähnliches Phänomen im Bereich des Datenschutzes droht: Das Arbeitsgericht Duisburg hatte im Rahmen seines Urteils vom 3.11.2023 (Az. 5 Ca 877/23) über einen Entschädigungsanspruch eines Bewerbers wegen nicht “unverzüglicher” Auskunft gemäß Art. 15 i.V.m. Art. 82 Abs. 1 DS-GVO zu entscheiden.

Im konkreten Fall forderte der Bewerber im Jahr 2023 – er hatte sich ursprünglich im Jahr 2017 (!) beworben – nach Art. 15 DS-GVO Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten. Er setzte eine Frist bis Anfang Juni 2023. Das Unternehmen antwortete nach der Frist, dass keine Daten gespeichert seien (sog. Negativauskunft). Der Kläger forderte daraufhin EUR 1.000,00 Schadenersatz wegen der verspäteten Antwort, behauptend, er habe durch die Verzögerung einen Kontrollverlust über seine Daten erlitten.

Was viele Praktiker überraschte: Das Arbeitsgericht Duisburg entschied, dass dem Bewerber eine Entschädigung in Höhe von EUR 750,00 zusteht, weil die Auskunft nicht “unverzüglich” erfolgte und das Unternehmen keine besonderen Umstände darlegen konnte, die die hier angefallene Bearbeitungsfrist von 19 Tagen rechtfertigte.

Auch wenn die Entscheidung zuweilen viel Kritik erfährt, bleibt zunächst eines: Datenschutz-Hopper gehen ähnlich vor, wie ihre Namensvetter im Bereich des AGG. Sie bewerben sich auf eine ausgeschriebene Stelle und reichen ihre Bewerbungsunterlagen beim Unternehmen ein. Nachdem die Bewerbung planmäßig nicht erfolgreich war, beginnt das eigentliche Unterfangen:

  1. Der Bewerber begehrt nach Art. 15 DS-GVO Auskunft darüber, ob und welche Daten zu seiner Person beim Unternehmen verarbeitet werden.

  2. Gemäß Art. 12 Abs. 3 DSGVO muss diese Auskunft über die etwaige Datenverarbeitung „unverzüglich, spätestens aber innerhalb eines Monats nach Eingang des Antrags“ zur Verfügung gestellt werden. Das Unternehmen muss nach interner Prüfung also entweder die Auskunft erteilen, dass überhaupt keine personenbezogenen Daten verarbeitet werden oder – falls eine Verarbeitung erfolgt – in welcher Form dies geschieht.

  3. Erfolgt die Auskunft (vermeintlich) nicht rechtzeitig, macht der Bewerber einen Schadensersatzanspruch gemäß Art. 82 Abs. 1 DS-GVO wegen verspäteter Auskunft geltend. Hierbei beruft sich der Bewerber regelmäßig auf den Eintritt eines immateriellen Schadens. Dazu führt er etwa an, er habe durch die verspätete Auskunft „emotionales Ungemach“ in Form von Angst, Sorge oder Unwohlsein erfahren.

Was Unternehmen tun sollten

Auskunftsersuchen von Bewerbern nach Art. 15 DS-GVO kommen oftmals unscheinbar daher, sollten aber unbedingt ernst genommen werden. Der Weg zum Schadenersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DS-GVO ist nämlich nicht weit. Entscheidend aus Unternehmersicht ist eine möglichst zügige Antwort. Die Monatsfrist in Art. 12 Abs. 3 DS-GVO darf nur in schwierigen Fällen ausgeschöpft werden. Maßgeblich ist also das Merkmal der „Unverzüglichkeit“. Wie viele Tage dem Unternehmen danach zur Auskunft verbleiben, hängt vom Einzelfall ab. In der oben genannten Entscheidung des Arbeitsgericht Duisburg waren es 19 Tage. Letztendlich werden viele Fragen erst durch gerichtliche Entscheidungen in der Zukunft geklärt werden; etwa ob der Anspruch aus Art. 82 Abs. 1 DS-GVO verwehrt ist, wenn nachgewiesen werden kann, dass die Bewerbung nur zum Schein erfolgte. So ist es beim AGG-Hopping. In jedem Fall werden die neuen „Hopper“ Unternehmen und Gerichte in Zukunft auf Trab halten.

Expertin

Madelaine-Isabelle RBL-Reiserer-Baade-Lachmann-Arbeitsrecht
Dr. Madelaine Isabelle Baade