Die Beteiligungsrechte des Betriebsrates in wirtschaftlichen Angelegenheiten hat der Gesetzgeber eher zurückhaltend gestaltet.
Das Kerngebiet der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates liegt in sozialen Angelegenheiten, wenn es also um Überstunden oder Kurzarbeit geht, um Urlaubsregelungen, Schichtmodelle, variable Vergütungssystemen, um nur einige Beispiele des § 87 BetrVG zu nennen. Ein weiterer Kernbereich liegt im Bereich der personellen Einzelmaßnahmen, also im Bereich der Einstellung und Entlassung und im Bereich der Versetzung (§§ 99, 102 BetrVG).
Geht es um wirtschaftliche Angelegenheiten, sind die Handlungsmöglichkeiten des Betriebsrates generell gering. So hat der Gesetzgeber in § 106 BetrVG Regularien getroffen für Unternehmen mit i.d.R. mehr als 100 beschäftigten Arbeitnehmern, den sog. Wirtschaftsausschuss. Dieser Ausschuss wird vom Betriebsrat gebildet und ist in wirtschaftlichen Angelegenheiten in regelmäßigen Abständen vom Arbeitgeber zu unterrichten. Der Gesetzgeber hat sich hier auf eine Unterrichtungs- und Beratungspflicht für den Arbeitgeber beschränkt. Echte Entscheidungsrechte stehen dem Wirtschaftsausschuss aber nicht zu.
Deshalb wird es im Bereich der wirtschaftlichen Angelegenheiten aus Sicht des Betriebsrates erst spannend, wenn eine sog. Betriebsänderung vorliegt, die in § 111 BetrVG geregelt ist. Hier geht es um die Stilllegung des ganzen Betriebes oder jedenfalls wesentlicher Betriebsteile. Es geht aber auch um die Verlegung eines Betriebes oder um grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation bzw. Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden. Wann eine Stilllegung vorliegt, das ist offensichtlich. Wann wesentliche Betriebsteile eingeschränkt werden, auch hierzu gibt es klare Regeln. Die Rechtsprechung des BAG nimmt zum einen eine sog. quantitative Betrachtung vor und orientiert sich dabei an den Zahlenwerten des § 17 KSchG, der eigentlich die Massenentlassung betrifft. Hier hat sich folgende Checkliste etabliert:
- Bei Unternehmen mit 20 bis 60 i.d.R. Beschäftigten muss eine Anzahl von mehr als 5 Arbeitnehmern entlassen werden,
- bei mindestens 60 Arbeitnehmern, höchstens aber 500, eine Anzahl von 10% oder aber mehr als 25 Personen,
- und bei Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten mindestens 30 Arbeitnehmer bzw. mindestens 5% der Belegschaft.
Spannender sind die Fragen, wann z.B. neue Arbeitsmethoden grundlegender Art eingeführt werden. Viele Unternehmen begründen die Notwendigkeit des Stellenabbaus mit dem Willen zur Transformation, mit zunehmender Digitalisierung und damit letztlich mit technologischen Gründen.
Nehmen wir das Beispiel eines Fertighausherstellers, der den konjunkturellen Rückgang zum Anlass nimmt, seinen bisher großen Personaleinsatz für die Einrichtungsberatung zu digitalisieren. So kommt der Kunde nicht mehr ins Haus und wird von Mitarbeitenden beraten. Sondern er gestaltet die Ausstattung seines Hauses digital zu Hause vom Sofa aus. Oder auch der schrittweise Abbau von Verpackungstätigkeiten im Rahmen eines produzierenden Unternehmens, die bisher noch von Mitarbeitenden durchgeführt wurden und in Zukunft automatisiert erfolgen, fällt in den Anwendungsbereich der neuen Arbeitsmethoden.
In solchen Konstellationen sollte die sprichwörtliche rote Lampe beim Unternehmer brennen oder aufleuchten. Jedenfalls sollte früh geklärt werden, ob der Anwendungsbereich der Betriebsänderung schon eröffnet ist oder ob es sich eben gerade nicht um eine „grundlege“ Änderung der Arbeitsabläufe handelt. Denn die Rechtsfolgen einer fehlerhaften Einschätzung können dramatisch sein. Selbst wenn der Betriebsrat die Einhaltung der Beteiligungsrechte nicht einfordert und die Haltung des Arbeitgebers unterstützt, dass eine sozialplanpflichtige Maßnahme nicht vorliegt, droht Ungemach. Denn nach § 113 BetrVG kann jeder einzelne Arbeitnehmer, der von der Maßnahme betroffen und ausgeschieden ist, einen sog. Nachteilsausgleich (eine Art Schadensersatz) dafür gegen den Arbeitgeber gerichtlich durchsetzen, dass die Beteiligungsrechte des Betriebsrates nicht gewahrt worden sind. Damit kommt der betriebsbedingt gekündigte Arbeitnehmer auf diesem Weg dann doch noch zu einer Abfindung, auch wenn kein Sozialplan abgeschlossen worden ist. Und selbst der Arbeitnehmer, der auf Basis eines Aufhebungsvertrages mit einer „kleinen“ Abfindung ausgeschieden ist, kann über den Klageweg versuchen, aus dieser Abfindung eine „Große“ zu machen. Ungemach ist für den Arbeitgeber auf jeden Fall damit verbunden, was sich allein aus der Durchführung vieler arbeitsrechtlicher Verfahren ergibt.
So viel als Einstieg zu dem schillernden Begriffen Betriebsrat, Interessenausgleich und Sozialplan. Der nächste Beitrag seigt an dieser Stelle intensiver ein.