BAG, Urteil vom 21.8.2024 – 5 AZR 266/23
In seiner Entscheidung vom 21. August 2024 hatte sich das BAG mit dem Verlangen eines Arbeitnehmers nach Vergütung von Pausenzeit zu beschäftigen. Die Entscheidung fällt zwar recht kurz aus, doch betrifft sie ein immer wieder relevantes Thema. Zugrunde lag ihr die Klage eines Produktionsmitarbeiters, welcher in einem Dreischichtsystem tätig war. Die Lage und Verteilung der Arbeitszeit richtete sich dabei primär nach einer tariflichen Regelung. In dieser hieß es insbesondere:
“Beschäftigten im Dreischichtbetrieb wird die regelmäßige Arbeitszeit, die durch die gesetzlich vorgeschriebene Ruhepause entfällt, bezahlt.“
Der Kläger machte die Vergütung von Ruhepausen geltend und war der Ansicht, die tarifliche Regelung wolle Mitarbeiter im Dreischichtsystem privilegieren, indem ihnen die Zeit der gesetzlichen Ruhepausen vergütet werde. Der Begriff des „Entfallens“ der Arbeitszeit solle nach der Ansicht des Klägers auch den Fall erfassen, dass Mitarbeiter aufgrund gesetzlicher Pausen länger im Betrieb anwesend sein müssen. Die Lage der Arbeitszeit war im Betrieb durch eine Betriebsvereinbarung geregelt. Darüber hinaus meinte der Kläger – da im Pausenraum ein Monitor angebracht war, der Störungen an Maschinen anzeigte –, dass er sich in „Daueralarmbereitschaft“ befunden habe.
Rechtlicher Überblick
Die Tarifparteien haben eine sehr umfassende Befugnis zur Regelung der Vergütung von Mitarbeitern. Dies umfasst auch die Frage der Vergütung von Pausen und die Frage der wöchentlichen Arbeitszeit. Entscheiden sich die Tarifparteien also gegen eine Vergütung von Pausen, so muss ein betroffener Arbeitnehmer sich an dieser Regelung messen lassen. Einziger Ausweg für Verlangen wie das hier vorliegende ist eine Auslegung der tariflichen Regelung. Bei der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage und deren Beginn und Ende (einschließlich der Pausen) hat der Betriebsrat sodann gem. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht.
Entscheidung des BAG
Das BAG hat in dieser jüngsten Entscheidung den Anspruch auf Vergütung der Pausen abgelehnt. Es hat festgehalten, dass sich dieser nicht aus der tariflichen Regelung ergibt und die Regelung auch nicht in diese Richtung ausgelegt werden kann.
Dem Kläger war nach Ansicht des BAG keine regelmäßige Arbeitszeit „entfallen“, wie es die tarifliche Regelung für eine Vergütung der Pausen voraussetzt. Der Kläger hatte unstreitig die vollen 35 Wochenstunden, die der Tarifvertrag als Arbeitszeit vorsieht, auch gearbeitet.
Da dem Kläger die vollen 35 Wochenstunden vergütet wurden, war ihm nach dem BAG auch keine Arbeitszeit „entfallen“. Der Auslegung des Mitarbeiters erteilte das Gericht eine klare Absage. Eine Vergütung der Pausen nur aufgrund der längeren Anwesenheit gebe die Regelung nicht her. Dies sei kein Ausfall von Arbeitszeit, sondern nur die Folge der gesetzlichen Pausenregelung. Vielmehr ginge es den Tarifvertragsparteien nur darum, dass den Mitarbeitern aufgrund gesetzlicher Pausenregelungen oder der Schichtgestaltung durch den Arbeitgeber und Betriebsrat kein Lohn entgeht. Eine Auslegung, wie der Kläger sie gerne vornehmen wollte, müsse sich zumindest ansatzweise im Wortlaut widerspiegeln. Hinzu kam vorliegend noch, dass an anderer Stelle im Tarifvertrag sehr deutlich bezahlte Pausen festgelegt wurden.
Ebenfalls interessant war eine Aussage des Gerichts zu § 4 S. 1 ArbZG. Diese Norm verlangt, dass die Pausen „im Voraus feststehen“ müssen. Hierfür genüge es jedoch nach Auffassung des BAG, dass der Arbeitnehmer zu Beginn seiner Pause wisse, dass und wie lange er nun Zeit zur Erholung hat. Eine weitere Planung der Pausen verlange das Gesetz nicht. Die Lage der Pausen könne sich daher nach den betrieblichen Erfordernissen richten. Nur das erwähnte Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats und eine Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 1 BGB sind hierbei nicht zu vergessen.
Zuletzt verneinte das Gericht noch die vom Kläger behauptete „Daueralarmbereitschaft“ aufgrund des Monitors mit Störungsbenachrichtigungen in der Kantine. Der Kläger hatte nicht vorgetragen, zum Aufenthalt in der Kantine oder einer eigenständigen Reaktion auf Störungsmeldungen verpflichtet gewesen zu sein. Ebenfalls stellte er selbst unstreitig, dass es nie Unterbrechungen der Pausen gab. Die behauptete „Daueralarmbereitschaft“ sah das Gericht daher nur in der subjektiven Befindlichkeit des Arbeitnehmers.
Bewertung und Auswirkung auf die Praxis
Die Entscheidung des BAG stellt eine gute Lehrstunde in der Auslegung von Normen dar. Ohne Anhaltspunkte im Wortlaut ist keine Auslegung möglich, die diesem entgegensteht. Der Kläger hatte daher vorliegend mit seiner Auslegung keine ernsthafte Chance zu obsiegen. Nicht vergütungspflichtige Pausen begründen also auch in Zukunft keinen Anspruch auf Vergütung, nur weil sich – logischerweise – durch diese die reine Anwesenheitszeit im Betrieb verlängert.
Auch die erneute Klarstellung des BAG zur Flexibilität des Arbeitgebers bei der Festlegung der Lage der Pausen ist aus Arbeitgebersicht begrüßenswert. Den Interessen der Arbeitnehmer wird dabei durch die Billigkeitskontrolle und insbesondere das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ausreichend Rechnung getragen.