BSG, Urteil vom 26.9.2024 – B 2 U 14/22 R
Die gesetzliche Unfallversicherung (geregelt im SGB VII) bietet Versicherungsschutz bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten. Ereignet sich ein Unfall, ist häufig unklar, ob ein hinreichender innerer oder sachlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der versicherten (Arbeits-)Tätigkeit besteht. Nur wenn ein solcher vorliegt, handelt es sich auch um einen Arbeitsunfall und die Unfallversicherung trägt die Behandlungskosten. Mit einem solchen Grenzfall befasste sich jüngst das Bundessozialgericht.
Sachverhalt
Der Kläger war als Kommissionierer bei einer Konzerngesellschaft beschäftigt. Bei dem Konzern waren 11.000 Mitarbeiter beschäftigt, 6.150 davon in Deutschland. Jedes Jahr findet ein Fußballturnier des Konzerns statt. Daran nehmen Mannschaften teil, die sich aus Mitarbeitern der Unternehmensgruppe zusammensetzen. Im Jahr 2018 hat das Fußballturnier zum 21. Mal stattgefunden. 80 Beschäftigte des Konzerns haben hieran teilgenommen. Der Kläger verdrehte sich bei diesem Turnier das Knie und verlangte Entschädigung von der gesetzlichen Unfallversicherung. Diese verweigerte dies mit dem Hinweis, bei der Verletzung handele es sich nicht um einen Arbeitsunfall.
Entscheidung
Das BSG bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen und stufte den Unfall nicht als Arbeitsunfall ein. Der Kläger hat somit keinen Anspruch auf Entschädigung gegen die gesetzliche Unfallversicherung.
Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass
- die Teilnahme am Fußballturnier weder zur Erfüllung einer vertraglichen Pflicht erfolgte,
- noch das Fußballturnier „Betriebssport“ darstellte,
- das Fußballturnier auch nicht als „betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung“ eingestuft werden konnte und
- das Fußballturnier ebenfalls nicht als „werbewirksame Veranstaltung“ zu bezeichnen sei.
Wäre eine der vier Fallgruppen einschlägig gewesen, hätte das Gericht den Unfall unter Berücksichtigung der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften als Arbeitsunfall einstufen müssen.
Dass die Teilnahme am Turnier nicht der Erfüllung einer vertraglichen Pflicht aus der Beschäftigung als Kommissionierer diente, war offensichtlich. Interessant hingegen sind die Ausführungen des Gerichts zu den anderen Fallgruppen: Gegen eine Einstufung als „Betriebssport“ spreche laut BSG, dass bei dem Fußballturnier der (einmalige) Wettkampfcharakter im Vordergrund gestanden habe. Betriebssport diene hingegen dem Ausgleich für berufliche Belastungen und finde in regelmäßiger Wiederkehr statt.
Die Einordnung als „betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung“ lehnte das Gericht mit dem Hinweis ab, dass das Fußballturnier nicht allen Beschäftigten offen gestanden habe, sondern lediglich einem eng begrenzten Teilnehmerkreis. Bei einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung stehe hingegen die Förderung des „Wir-Gefühls“ und des Gemeinschaftsgedankens aller im Vordergrund. Auch diente die Teilnahme am Fußballturnier keinen Werbezwecken und stellte somit keine „werbewirksame Veranstaltung“ dar. Es handelte sich vielmehr um eine unternehmensinterne Veranstaltung, bei der es auch keine weiteren Programmpunkte neben den Fußballspielen gab.
Fazit
Die konkrete Ausgestaltung von betrieblichen Veranstaltungen und Events durch den Arbeitgeber entscheidet maßgeblich darüber, ob eine hierbei anfallende Tätigkeit des Arbeitnehmers von der Unfallversicherung mitversichert ist oder nicht. Die Ausführungen des BSG zeigen, dass es dabei auf Kleinigkeiten ankommt. Nicht irgendein Bezug zum Unternehmen genügt, damit eine entsprechende Tätigkeit von der Unfallversicherung mitversichert ist. Wenn die Tätigkeit nicht zur Erfüllung arbeitsvertraglicher Pflichten dient, müssen nach der Rechtsprechungspraxis vielmehr zusätzliche Voraussetzungen erfüllt sein.