Diskriminierende Sozialplanabfindung

BAG, Urteil vom 11.10.2022 – 1 AZR 129/21

Ist gemäß einem Sozialplan eine Abfindung, die durch eine Kappungsgrenze auf einen bestimmten Höchstbetrag gedeckelt ist, und zugleich ein Zuschlag für schwerbehinderte Arbeitnehmer vorgesehen, so stellt sich die Frage, ob trotz Erreichens des Höchstbetrages noch ein Anspruch auf den Schwerbehindertenzuschlag besteht. Eine Antwort hierauf liefert ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts.

Sachverhalt

Die beklagte Arbeitgeberin schloss im Juni 2019 mit dem Betriebsrat einen Sozialplan, um die infolge einer Werksschließung entstehenden Nachteile zu mildern. Dieser sieht zum einen für sämtliche betriebsbedingt gekündigten Arbeitnehmer eine auf einen Höchstbetrag von insgesamt 75.000,00 € begrenzte Abfindung vor. Zum anderen wurde geregelt, dass schwerbehinderte Arbeitnehmer ab einem Behinderungsgrad von 50 eine zusätzliche Abfindung in Höhe von 2.000,00 € erhalten. Darüber hinaus wurde eine Betriebsvereinbarung betreffend eine Klageverzichtsprämie geschlossen, wonach Arbeitnehmer, die einen Anspruch auf eine Sozialplanabfindung haben, weitere 30.919,35 € erhalten, wenn sie keine Kündigungsschutzklage erheben.

Das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger, der einen Behinderungsgrad von 80 aufweist, wurde zum Februar 2020 wirksam durch eine betriebsbedingte Kündigung beendet. Eine Kündigungsschutzklage hatte er nicht erhoben. Aufgrund seines Alters und seiner Betriebszugehörigkeit erreichte er bereits ohne etwaige Zuschläge die Kappungsgrenze der Abfindung in Höhe von 75.000,00 €. Dieser Betrag wurde ihm von der Beklagten ausgezahlt. Der Kläger war allerdings der Auffassung, dass ihm darüber hinaus sowohl die Klageverzichtsprämie als auch der Schwerbehindertenzuschlag zustehen und machte diese Ansprüche klageweise geltend.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

Entscheidung des BAG

Demgegenüber hatte die Revision des Klägers vor dem BAG Erfolg. Zum einen erkannte die Beklagte den Anspruch auf die Klageverzichtsprämie an. Zum anderen schlossen sich die Erfurter Richter im Wesentlichen der Argumentation des Klägers an, die Deckelung der Abfindung ohne Berücksichtigung des Schwerbehindertenzuschlages benachteilige schwerbehinderte Arbeitnehmer, da der Betrag dazu gedacht sei, weitere behinderungsbedingte Nachteile infolge der Werksschließung zu nivellieren. Das BAG entschied daher, dass die Kappungsgrenze insoweit unwirksam sei, als sie sich auf den zusätzlichen Abfindungsbetrag erstrecke, und begründete dies mit einem Verstoß gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 Abs. 1 BetrVG. Zwar stehe den Betriebsparteien im Hinblick auf die Sozialplanabfindung ein gewisser Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum zu. Da die streitgegenständliche Regelung aber dazu führe, dass ältere schwerbehinderte Arbeitnehmer mit langer Betriebszugehörigkeit aufgrund der Kappung faktisch nicht in den Genuss der Zusatzabfindung kommen, führe dies – so die Bundesrichter – zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe der abfindungsberechtigten schwerbehinderten Arbeitnehmer, die damit im Ergebnis keinen spezifischen Ausgleich für die durch ihre besondere Situation bedingten wirtschaftlichen Nachteile infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten würden.

Fazit

Mit dieser Entscheidung bestätigt das BAG seine bisherige Rechtsprechung zur grundsätzlichen Wirksamkeit von Kappungsgrenzen im Rahmen der Sozialplanabfindung und löst darüber hinaus den Konflikt, der durch die zusätzliche Vereinbarung eines Schwerbehindertenzuschlags entsteht, zu dessen Gunsten auf. Arbeitgeber sollten daher bei Sozialplanverhandlungen berücksichtigen, dass eine grundsätzlich wirksame Kappungsgrenze durch Zusatzabfindungen schwerbehinderter Arbeitnehmer überschritten werden kann.

Autor

RBL-Reiserer-Baade-Lachmann-Arbeitsrecht-Maximilian-Lachmann-Rechtsanwalt
Maximilian Lachmann