LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 26.11.2024, 5 SLa 72/24
Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz spielt im Arbeitsverhältnis an verschiedenen Stellen eine nicht unerhebliche Rolle. Unternehmen sind gehalten, jegliche Formen der Benachteiligung, welche diskriminierend wirken, zu unterlassen. Anderenfalls drohen Schadenersatzansprüche. Allerdings sind nicht alle Ungleichbehandlungen unzulässig: Sachlich begründete Differenzierungen, wie etwa die Einführung eines Stichtages, ab dem eine freiwillige Leistung nicht mehr gewährt wird, sind zulässig. Solange die Ungleichbehandlung nicht an ein Diskriminierungsmerkmal im Sinne des AGG anknüpft und sachlich gerechtfertigt ist, verstößt eine solche Regelung nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, so das LAG Mecklenburg-Vorpommern.
Sachverhalt
Die Klägerin wechselte zum 1.10.2021 aufgrund eines dreiseitigen Vertrages zur Beklagten, die eine Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie betreibt. Ihr Arbeitsvertrag sah eine Weiterbeschäftigung im Wohngruppendienst sowie die Anerkennung ihrer bisherigen Betriebszugehörigkeit vor. Nach Abschluss einer Weiterbildung zur Fachpflegekraft für Psychiatrie wurde sie höhergruppiert.
Die Beklagte hatte im Jahr 2009 mit dem Betriebsrat eine Regelungsabrede zur Vergütung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abgeschlossen, die bis zum 31.12.2012 galt. Darin wurde für Beschäftigte der Forensik neben Gehaltserhöhungen auch eine monatliche Forensikzulage von 75,00 € bei Vollzeit vereinbart, anteilig bei Teilzeit. Ab dem 1.1.2017 änderte die Beklagte ihre Praxis und zahlte diese Zulage an neu eingestellte oder in die Forensik versetzte Beschäftigte nicht mehr.
Die Klägerin forderte mit Schreiben vom 27.7.2022 die rückwirkende Zahlung der Forensikzulage ab Oktober 2021, da sie nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ebenfalls Anspruch darauf habe. Sie argumentierte, dass die Zulage die besonderen Erschwernisse der Forensik-Mitarbeiter abgelte und sie denselben Belastungen ausgesetzt sei, wie die anderen Beschäftigten. Nach erfolglosem Schriftverkehr begehrte sie nun im Klageweg die Zahlung der rückständigen Zulage zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit. Die Klage hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, da kein Anspruch auf die Forensikzulage bestehe. Es wurde festgestellt, dass Unternehmen nicht verpflichtet sind, freiwillige Leistungen wie Forensikzulagen auch an neu eingestellte Beschäftigte zu zahlen, wenn es diese Leistung ab einem bestimmten Stichtag ausschließt. Solche Stichtagsregelungen – und mithin zeitliche Differenzierungen – seien zulässig, sofern sie sachlich begründet sind. Denn der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungssatz sei nicht nur räumlich sondern auch zeitlich beschränkt. Als sachliche Rechtfertigungsgründe nannte das LAG etwa Kostenbelastungen des Arbeitgebers.
Die Klägerin konnte nicht nachweisen, dass nach dem 1.1.2017 neu eingestellte Beschäftigte in der Forensik die Zulage erhalten haben. Deshalb bestand auch für sie – mangels ungerechtfertigter Ungleichbehandlung – kein Anspruch auf Nachzahlung. Das Gericht stellte außerdem klar, dass die Darlegungs- und Beweislast für eine Ungleichbehandlung beim Arbeitnehmer liegt. Dieser müsse vergleichbare, besser gestellte Arbeitnehmer benennen. Erst dann müsse das Unternehmen darlegen, warum die Klägerin nicht zum begünstigten Personenkreis gehört. Da die Klägerin ihrer Beweislast nicht nachkommen konnte, wurde die Klage abgewiesen.
Fazit
Das Urteil ist erfreulich aus Arbeitgebersicht: Demnach stellen Stichtagsregelungen einen gangbaren Weg dar, um bei freiwilligen Leistungen wie Zulagen im Hinblick auf neu eingestellte Mitarbeitende die Auszahlungspraxis zu ändern oder einzustellen. Solche zeitlichen Differenzierungen nach dem Eintrittsdatum sind zulässig, solange sie sachlich begründet sind. Bei behaupteter Ungleichbehandlung liegt die Darlegungs- und Beweislast zunächst beim Arbeitnehmer. Er muss nachweisen, dass eine vergleichbare Gruppe von Beschäftigten bessergestellt wird. Erst dann ist das Unternehmen verpflichtet, die Gründe für die unterschiedliche Behandlung darzulegen und zu erläutern, warum der klagende Arbeitnehmer nicht zum begünstigten Personenkreis gehört.
Doch darüber hinaus bleibt der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz trotz des Grundsatzes der Vertragsfreiheit relevant: Gewährt das Unternehmen Leistungen nach einem allgemein erkennbaren Prinzip oder hebt er Vergütungen durch eine betriebliche Einheitsregelung an, muss er auch neue Mitarbeitende einbeziehen, sofern keine sachlichen Gründe für eine Differenzierung bestehen.