LAG Niedersachsen, Urteil vom 5.6.2024 – 8 Sa 562/23
Eine Schlüsselstrategie zur Mitarbeiterbindung und deren Förderung in einer sich ständig verändernden und wettbewerbsintensiven Arbeitswelt ist die Investition in die Fortbildung der Mitarbeiter. Immer häufiger finden sich Vereinbarungen, in denen Arbeitgeber dir Fortbildungskosten übernehmen. Im Gegenzug bindet sich der Mitarbeiter für eine bestimmte Dauer an das Unternehmen. Ganz nach dem Win-Win Prinzip.
Doch oft stellt sich die Frage: Stehen die Kosten für Fortbildungen und die Bindungsdauer noch in angemessenem Verhältnis zueinander? Das LAG Niedersachsen beschäftigte sich zuletzt mit genau dieser Wechselwirkung zwischen Fortbildungskosten und Mitarbeiterbindung und gab Anhaltspunkte dazu, wann gezielte Fortbildungsmaßnahmen tatsächlich eine Win-Win-Situation für Unternehmen und Mitarbeiter darstellen.
Sachverhalt
Das klagende Land verlangt als Arbeitgeber von der beklagten Arbeitnehmerin die Rückzahlung von Fortbildungskosten. Die diesbezügliche Vereinbarung enthielt eine Klausel, wonach die Beklagte die Studiengebühren zurückzuzahlen habe, wenn sie innerhalb von 5 Jahren nach Beendigung des Studiums aus dem Dienstverhältnis aus von ihr zu vertretenden Gründen ausscheide. Das Studium wurde innerhalb der Regelstudienzeit von 4 Semestern erfolgreich abgeschlossen. Übernommen hatte der Arbeitgeber die anfallenden Studiengebühren in Höhe von insgesamt 14.280 Euro. Die Beklagte wurde für die Teilnahme an Studienveranstaltungen freistellt. Nach 4 Jahren – und damit vor Ablauf der vereinbarten Bindungsdauer kündigte die Arbeitnehmerin jedoch.
Rechtlicher Hintergrund
Nach Rechtsprechung des BAG müssen Fortbildungs- und Bindungsdauer in angemessenem Verhältnis stehen. Aus der BAG-Rechtsprechung lassen sich folgende Grundsätze ableiten:
- Bei einer Lehrgangsdauer von bis zu 1 Monat ohne Verpflichtung zur Arbeitsleistung darf höchstens eine sechsmonatige Bindung,
- bei einer Lehrgangsdauer von bis zu 2 Monaten eine einjährige, bei Lehrgangsdauer von 3 bis 4 Monaten eine zweijährige Bindungsfrist
- bei einer Lehrgangsdauer von 6 Monaten bis zu einem Jahr ohne Arbeitsverpflichtung im Regelfall keine längere Bindung als 3 Jahre vereinbart werden.
Erst bei einer mehr als zweijährigen Dauer der Fortbildungsmaßnahme ohne Arbeitsleistung wird eine Bindungsdauer von fünf Jahren für zulässig gehalten. Im Einzelfall kann auch bei kürzerer Dauer der Fortbildung eine längere Bindung gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeber erhebliche Mittel aufwendet und die Fortbildung dem Arbeitnehmer besondere Vorteile bringt.
Entscheidung
Während das ArbG Hannover dem Anspruch des Landes stattgegeben hatte, wie das LAG die Klage ab und lies keine Revision zu.
Das LAG berief sich zunächst auf die oben genannten Grundsätze und stellte dann fest, dass eine längere Bindungsdauer im Einzelfall gerechtfertigt sein könne, wenn der Arbeitgeber erhebliche Mittel aufwende und die Fortbildung dem Arbeitnehmer besondere Vorteile bringe. Angemessen hielt das LAG im vorliegenden Fall jedoch lediglich eine Bindungsdauer von 2 Jahren. Eine Freistellung der Arbeitnehmerin von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung in Höhe von 50 Tagen im Zusammenhang mit einer Fortbildungsmaßnahme rechtfertige nicht die Vereinbarung einer Bindungsdauer von fünf Jahren. Dies gelte auch dann, wenn der Arbeitgeber im Rahmen der Fortbildungsmaßnahme zusätzlich Studiengebühren in nicht unerheblicher Höhe trägt.
Eine Reduktion auf dieses geringere Maß sei ebenfalls nicht möglich. Dies bewirke grundsätzlich die Unwirksamkeit der Rückzahlungsklausel insgesamt. Der Rückzahlungsanspruch besteht – auch nach Bereicherungsrecht – damit nicht.
Fazit
Die Entscheidung – die mit der Rechtsprechung des BAG konform geht – zeigt: Eine zu lange Bindungsdauer kann für den Arbeitgeber verhängnisvoll sein. Aus einer Win-Win-Situation wird so eine Win-Lose-Situation, aus der der Arbeitnehmer als klarer Gewinner hervorgeht.