100 Tage GroKo – arbeitsrechtliche Vorhaben der Bundesregierung

Die neue Bundesregierung erreicht die 100 Tage Marke. Unter der Leitlinie „Verantwortung für Deutschland“ hat sie in ihrem Koalitionsvertrag einen Fahrplan vorgelegt, der das Land sicher durch herausfordernde Zeiten führen soll. Auch das Arbeitsrecht wird dabei in den Fokus genommen. Die Entwicklung insbesondere der nachstehenden Punkte verfolgen wir mit Spannung:

Arbeitszeitflexibilisierung

Die Regierungsparteien haben sich im Koalitionsvertrag auf eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten geeinigt. Der Acht-Stunden-Tag soll entfallen und eine neue wöchentliche Höchstgrenze von 48 Stunden eingeführt werden. Zur Sicherung der Pausenregelungen sollen Arbeitgeber zur elektronischen Erfassung der gesamten Arbeitszeit verpflichtet werden. Modelle der Vertrauensarbeitszeit sollen jedoch weiterhin zulässig bleiben. Hier ist bislang noch kein Fortschritt oder gar ein Gesetzentwurf zu erkennen.

Mindestlohn

Die Koalition bekennt sich ausdrücklich zum gesetzlichen Mindestlohn und sieht – in enger Abstimmung mit einer „starken und unabhängigen Mindestlohnkommission“ – einen Satz von 15 Euro bis 2026 als erreichbar an.

Bereits im Juni 2025 hat die Mindestlohnkommission eine Anhebung des Mindestlohns auf 13,90 Euro zum 1. Januar 2026 und auf 14,60 Euro zum 1. Januar 2027 bekanntgegeben.

Stärkung der Tarifbindung

Ein Regierungsentwurf zum Bundestariftreuegesetz (BTTG) wurde jüngst veröffentlicht. Er knüpft öffentliche Aufträge an eine Tarifbindung. Bei Aufträgen des Bundes ab einem Auftragswert von EUR 50.000 müssen Unternehmen ihren Beschäftigten künftig während der Auftragsausführung tarifvertragliche Arbeitsbedingungen garantieren. Für den Nachweis der Tariftreue sind Dokumentationspflichten einzuhalten. Verstoßen Unternehmen hiergegen, droht eine Vertragsstrafe sowie der Ausschluss von weiteren Vergabeverfahren.

Kampf gegen Schwarzarbeit

Der Kamp gegen Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung hat für die Bundesregierung höchste Priorität. Das Kabinett hat daher nun einen Gesetzentwurf beschlossen, der die Finanzkontrolle Schwarzarbeit insbesondere durch Modernisierung und Digitalisierung stärken soll. Unter anderem Barbershops sowie Kosmetik- und Nagelstudios sollen genauer überwacht werden.

Digitales Zugangsrecht der Gewerkschaften

Auch wenn das BAG im Januar ein digitales Zugangsrecht von Gewerkschaften zu Betrieben verneint hat, sollen nach dem Koalitionsvertrag Gewerkschaften künftig dieses Zugangsrecht erhalten. Die geplante Gleichstellung digitaler mit analogen Zugangswegen ist noch ungeklärt. Allein die Nutzung der betrieblichen E-Mail-Adressen über interne Systeme birgt erhebliche Datenschutzrisiken – insbesondere über Gewerkschaftszugehörigkeiten. Ein Gesetzentwurf wird mit Spannung erwartet.

Online-Betriebsratswahlen

Ein Testdurchlauf von Online-Betriebswahlen im Frühjahr 2026 war im Referentenentwurf des BTTG als neuer § 18a BetrVG vorgesehen. Der Regierungsentwurf enthält diese Neuerung jedoch nicht mehr, obwohl sie im Koalitionsvertrag explizit vorgesehen ist. Ob die Online-Betriebswahlen in dieser Legislatur überhaupt noch kommen werden, ist höchst zweifelhaft, auch wenn die Bundesregierung sich die Digitalisierung und Entbürokratisierung auf die Fahnen geschrieben hat. Schon die Vorgängerregierung plante Online-Betriebsratswahlen, setzte sie aber nicht um.

Entgelttransparenzrichtlinie

Die bereits in Kraft getretene EU-Entgelttransparenzrichtlinie soll „bürokratiearm“ in nationales Recht umgesetzt werden. Bis Ende 2025 soll dazu eine eigens eingesetzte Kommission Vorschläge machen. Daran anschließend werde das Gesetzgebungsverfahren unverzüglich eingeleitet. Angesicht der Umsetzungsfrist bis zum 7. Juni 2026, ist dieser Zeitplan „sportlich“. Im Juli hat nun immerhin die Kommission „Bürokratiearme Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie“ ihre Arbeit aufgenommen.

Ausblick

Bislang ist noch keines der Vorhaben finalisiert. Nach 100 Tage wäre das auch (zu) viel erwartet. Bis zur Sommerpause ist immerhin einiges angestoßen worden. Eine vertiefte Debatte zu diesen Themen ist im Anschluss an die Sommerpause im Plenum zu erwarten. Inwieweit mit der Umsetzung großer und umstrittener Vorhaben wie der Arbeitszeitflexibilisierung zeitnah zu rechnen ist, bleibt insbesondere mit Blick auf die angekündigte umfassende Reform des Bürgergelds sehr fraglich. Für Arbeitgeber bedeutet dies: Aufmerksam sein, vorbereiten und anpassungsfähig bleiben.

Autorin

Gerstung, Dr. Johanna
Dr. Johanna Gerstung