LAG Köln, Urteil vom 29.5.2024 – 6 Sa 275/23
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verpflichtet Arbeitgeber dazu, ihre Beschäftigten vor Benachteiligungen aufgrund geschützter Merkmale wie Geschlecht, Behinderung oder Religion zu bewahren. Kommt es dennoch zu Konflikten, stellt sich häufig die Frage, ob arbeitsrechtliche Maßnahmen wie Abmahnungen, Kündigungen oder die Nichtverlängerung eines Vertrags diskriminierend motiviert sind. Arbeitnehmer können in solchen Fällen Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche geltend machen. Entscheidend ist dann, ob sie Indizien darlegen können, die eine Benachteiligung nach § 1 AGG vermuten lassen und damit eine Beweislastumkehr zugunsten des Betroffenen auslösen.
Sachverhalt
Der schwerbehinderte Kläger war als wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer Universität tätig. Ausgangspunkt war ein zunächst freundschaftliches Verhältnis des Klägers zu einer Kollegin, welches im Laufe des Anstellungsverhältnisses durch Streitigkeiten und Eifersucht belastet wurde. Diese persönlichen Spannungen übertrugen sich auf das dienstliche Umfeld und führten zu wechselseitigen Vorwürfen, Beschwerden, sowie disziplinarischen und arbeitsrechtlichen Maßnahmen.
Im Raum standen die Vorwürfe verbaler Attacken, Bedrohungen und heimlicher Tonaufnahmen. Schließlich stellten Kolleginnen Strafanzeigen gegen den Kläger aus Angst vor Übergriffen. Die beklagte Hochschule reagierte zunächst mit organisatorischen Maßnahmen in Form von räumlicher Trennung, Zugangsbeschränkungen zu Arbeitsmitteln und Abmahnungen sowie schließlich dem Ausspruch der Kündigung und der Ablehnung der Verlängerung des Arbeitsverhältnisses. Der Kläger wiederum reichte zahlreiche Beschwerden, Unterlassungsklagen und Strafanzeigen gegen Kolleginnen, Vorgesetzte und die Hochschulleitung ein. Gegenstand waren unter anderem behauptete Ausgrenzung, Diskriminierung und Persönlichkeitsrechtsverletzung.
Der Kläger machte geltend, er sei wegen seines Geschlechts und seiner Schwerbehinderung diskriminiert und gemobbt worden. Im Zentrum der Beanstandungen standen die unterlassene Verlängerung seines Arbeitsvertrages und seines Stipendiums, die Ablehnung der Betreuung seiner Promotion sowie diverse arbeitsorganisatorische Vorkehrungen. Auch gegen die Kündigung wehrte der Kläger sich. Im Zuge des Konflikts war der Kläger über längere Zeit arbeitsunfähig und forderte schließlich Schadensersatz- und Schmerzensgeldbeträge in Höhe von rund 500.000 €.
Entscheidung
Das LAG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen, der von seiner Arbeitgeberin Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen Diskriminierung, Mobbing und ungerechtfertigter Maßnahmen verlangt hatte.
Das Gericht stellte klar, dass weder die zeitliche Koinzidenz zwischen einer benachteiligenden Maßnahme und dem Vorliegen eines nach § 1 AGG geschützten Merkmals, noch die Tatsache, dass die Entscheidungsträger bei einer nachteiligen Behandlung ein solches Merkmal mit umgekehrtem Vorzeichen tragen, ein ausreichendes Indiz im Sinne von § 22 AGG darstellen. Auch die Anhäufung solcher ungeeigneter Tatsachen könne keinen Diskriminierungsverdacht begründen.
Die vom Kläger geschilderten Vorfälle sah das Gericht nicht als hinreichende Indizien für eine Diskriminierung an. Zudem sei die Beklagte erst spät über die Behinderung informiert worden, sodass frühere Maßnahmen nicht ursächlich damit verbunden sein konnten. Auch die geltend gemachten Schäden – insbesondere ein geforderter Betrag von über 500.000 € für den vermeintlichen Verlust seiner Promotionschancen – seien weder plausibel noch rechtlich begründet. Das Gericht bestätigte daher die klageabweisende Entscheidung der Vorinstanz.
Fazit
Aus Arbeitgebersicht erfreulich stellt das LAG Köln strenge Anforderungen an das Vorliegen von Diskriminierungsindizien im Sinne des § 22 AGG. Weder die bloße Gleichzeitigkeit einer benachteiligenden Maßnahme und eines verpönten Merkmals noch die Anhäufung einzelner ungeeigneter Tatsachen reichen aus, um eine Diskriminierung zu vermuten. Vielmehr tragen Arbeitnehmer für die Begründung einer Schadensersatzforderung nach dem AGG die Beweislast für konkrete, nachvollziehbare Anhaltspunkte, die einen Zusammenhang zwischen der Maßnahme des Arbeitgebers und einem in § 1 AGG genannten Merkmal erkennen lassen.
Innerbetriebliche Konflikte und die daraus resultierenden Maßnahmen – beispielsweise Abmahnungen, räumliche Trennungen oder die Nichtverlängerung von Verträgen – sind richtigerweise nicht zwangsläufig als diskriminierend zu werten. Arbeitnehmer können nicht jede Belastung oder nachteilige Erfahrung im Arbeitsverhältnis unter das AGG fassen. Das Urteil passt insofern in die bisherige Rechtsprechungslinie, als nur substantiierter Vortrag eine Beweislastumkehr für Ansprüche nach dem AGG auslösen kann. Dennoch empfiehlt es sich aus Arbeitgebersicht, sämtliche Vorgänge und Hintergründe möglichst genau zu dokumentieren, um im Streitfall Beweis führen zu können.