LAG Köln, Urteil vom 11.02.2025 – 7 Sa 635/23
Im Arbeitsverhältnis ist der Arbeitnehmer häufig dazu verpflichtet, selbst die Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren. Verstöße gegen diese Verpflichtung, insbesondere vorsätzliche Falschangaben, können einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen. Arbeitgebern ist es gestattet, bei entsprechendem Verdacht auf Arbeitszeitbetrug Ermittlungen einzuleiten, beispielsweise durch eine Detektei. Unter bestimmten Voraussetzungen können dem Arbeitnehmer sogar die hierfür entstandenen Detektivkosten auferlegt werden.
Sachverhalt
Dem vom LAG Köln entschiedenen Fall lag die Kündigungsschutzklage eines Fahrausweisprüfers zugrunde, welcher der Arbeitgeber mit einer Widerklage auf Erstattung von Detektivkosten begegnete. Die Erfassung der Arbeitszeiten erfolgte auf Grundlage einer Betriebsvereinbarung über eine mobile App. Die Beklagte erhielt zunächst Hinweise darauf, dass der Kläger während der Arbeitszeit vielfältigen privaten Aktivitäten nachging. Diese umfassten etwa Friseurbesuche, Aufenthalte im Fitnessstudio oder in einer Moschee sowie weitere private Erledigungen, die in keinem Zusammenhang mit seinen beruflichen Aufgaben standen.
Daraufhin beauftragte die Beklagte eine Detektei, um das Verhalten des Klägers zu überwachen. Bereits im November 2022 konnten wiederholte Verstöße gegen die Arbeitszeitdokumentation festgestellt werden, weshalb die Beklagte eine weitergehende Überwachung im Zeitraum vom 2. Dezember bis zum 16. Dezember 2022 veranlasste. Im Rahmen dieser Überwachung zeigte sich, dass der Kläger an fünf Tagen im Dezember während der Arbeitszeit z.B. im Haus seiner Freundin sowie in Bäckereien und Cafés privat aufhielt und dies als Arbeitszeit dokumentierte. Allein in den beobachteten Zeiträumen summierte sich der Arbeitszeitbetrug auf 26 Stunden.
Im Rahmen einer Anhörung am 20. Dezember 2022 erklärte der Kläger, das Zeiterfassungssystem habe nicht ordnungsgemäß funktioniert und die Aufenthalte in Moscheen und Bäckereien hätten Teambesprechungen gedient. Die Beklagte sprach daraufhin am 2. Januar 2023 die außerordentliche Kündigung aus. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage, während die Beklagte im Wege einer Widerklage die Erstattung der entstandenen Detektivkosten in Höhe von 21.608,90 € verlangte.
Entscheidung
Das Arbeitsgericht Köln wies die Kündigungsschutzklage des Klägers ab und gab der Widerklage der Beklagten statt. Nach Auffassung des Gerichts war die außerordentliche Kündigung wirksam, da ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vorlag. Wenig überraschend erachtete das LAG zunächst den vorsätzlichen Verstoß gegen die korrekte Arbeitszeitdokumentation für so schwerwiegend, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar sei. Die Beweisaufnahme hatte ergeben, dass der Kläger an mindestens fünf Tagen im Dezember mehrere Stunden Arbeitsleistung nicht erbracht und zudem seine Arbeitszeit vorsätzlich falsch dokumentiert hatte. Oder wie das LAG es formulierte: „Es ist auszuschließen, dass er in der Wohnung seiner Freundin Fahrkarten kontrolliert hat“.
Auch die in vielen Fällen brisante Überwachung des Arbeitnehmers wertete das Gericht als zulässig im Sinne des § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG (Bundesdatenschutzgesetz), da die Überwachungen lediglich an wenigen Tagen und ausschließlich im öffentlichen Raum erfolgten.
Schließlich wurde der Kläger zur Erstattung der Detektivkosten gemäß §§ 611a, 280 Abs. 1 BGB verurteilt. Die Kosten ordnete das LAG als erstattungsfähigen Schaden ein, da der Arbeitgeber aufgrund eines vorausgehenden Verdachts die Überwachung im durchgeführten Maße für erforderlich erachten durfte und der Kläger hierdurch überführt werden konnte. Dies ging besonders darauf zurück, dass der Arbeitgeber durch die vorherigen Hinweise eines Sicherheitsunternehmens einem konkreten Verdacht nachging und damit (auch) durch zukünftigen Arbeitszeitbetrug drohende Nachteile abzuwenden suchte. In Fällen, in denen ein weniger konkreter Verdacht vorliegt oder andere Aufklärungsmaßnahmen noch möglich sind, ist zu erwarten, dass die Erstattung der Detektivkosten größeren Hürden begegnet. Ob auch die Höhe der Kosten tatsächlich noch angemessen war, wurde in dieser Entscheidung nicht näher thematisiert.
Fazit
Die Rechtsprechung verdeutlicht, dass vorsätzlicher Arbeitszeitbetrug schwerwiegende arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. Ein derartiges Verhalten rechtfertigt nicht nur eine außerordentliche Kündigung, sondern kann auch dazu führen, dass Arbeitnehmer für die zur Aufdeckung erforderlichen Detektivkosten aufkommen müssen. Voraussetzung ist, dass die Überwachungsmaßnahmen verhältnismäßig und datenschutzrechtlich zulässig sind. Arbeitgeber sollten bei Verdacht auf Arbeitszeitbetrug umsichtig vorgehen, die Maßnahmen dokumentieren und die Verhältnismäßigkeit wahren. Dies gilt auch bei anderen Erscheinungsformen des Arbeitszeitbetrugs wie der Gleitzeitmanipulation oder dem Missbrauch von Stempeluhren. Arbeitgeber müssen ein solches Verhalten nicht hinnehmen und bleiben bei richtigem Vorgehen auch nicht auf den Detektivkosten sitzen. Übereilte oder ausufernde Überwachungsmaßnahmen bleiben allerdings weiterhin rechtswidrig und damit nicht erstattungsfähig. Insoweit stellt die Entscheidung einen weiteren Anreiz dar, eine Überwachungsmaßnahme – und sei es nur fürs Erste – eher limitiert und damit verhältnismäßig auszugestalten, als sofort die schwersten Geschütze aufzufahren und damit auch die Erstattung der Kosten zu gefährden.
